LegasthenieErkennung

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Wie kann man Legasthenie erkennen?

Legasthenie wird oft erst nach der Einschulung deutlich, da es sich um eine Teilleistungsstörung im Bereich der Schriftsprache handelt und der Lese-Schreib-Vorgang erst im Schulalter erlernt wird. Aber viele Mütter berichten, sie hätten schon vom ersten Schultaq an das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimme, teilweise schon zuvor Auffälligkeiten bemerkt.

Sollte das Kind Probleme beim Lesen und beim Schreiben haben, so muss das nicht unbedingt auf eine Legasthenie zurückzuführen sein. Nachfolgende Checkliste hilft bei der Abklärung, ob die Ursache eine Legasthenie oder eine andere ist (z.B. psychosoziale Umstände).

Gibt sich das Kind im täglichen Umgang überhaupt begriffstutzig? ist es unfähig, Situationen, Zusammenhänge und Folgen zu erkennen? Kann es sich entsprechend einstellen und verhalten?
Versagt das Kind in der Schule in allen Fächern? Lernt es alles langsamer, später, mühsamer als andere Kinder? Braucht es mehr Wiederholungen als seine Klassenkameraden?
Hat das Kind keinen regelmässigen Unterricht gehabt?
Erfolgte der Unterricht in der Schule in einer anderen als seiner Muttersprache? Dies an sich ist kein Ausschlusskriterium, da natürlich auch ausländische Kinder Legasthenie aufweisen können; allerdings ist hierbei kritisch zu hinterfragen, inwiefern bei ausländischen Kindern mit Legasthenie statt einer Legasthenietherapie Alphabetisierungskurse ergänzend oder alternativ Anwendung finden können.
Hat es häufigen Schul- oder Lehrerwechsel, längeren Unterrichtsausfall gegeben?
Sind die Lernprobleme neu, oder gibt es sie seit einem besonderen Ereignis, einem bestimmten Zeitpunkt? (Probleme im Elternhaus wie etwa Scheidung, Tod, schwere Krankheit, Unfall etc.)
Hat das Kind Seh-, Hör- oder Bewegungsstörungen?

Sollte mindestens eine Frage mit "JA" beantwortet sein, so ist davon auszugehen, dass die Ursache des Lernproblems des Kindes nicht eine Legasthenie ist.

Anzumerken bleibt allerdings, dass es in der Praxis oft schwer ist, festzustellen, ob ein Kind "richtiger" Legastheniker ist, ob seine Probleme beim Lesen und Schreiben auf familiäre Probleme etc oder etwa Sehbeeinträchtigungen zurückzuführen sind, oder ob die Legasthenie die Folge all dieser Ursachen sind. In der schulpsychologischen Situation wird bei Legasthenie-Verdacht i.R. ein Intelligenztest durchgeführt (um eine Mangelbegabung auszuschliessen) und Leistungstests (Lese- und Schreibtests) angewandt, um festzustellen, wie gross das Ausmass der Beeinträchtigung ausfällt.

Je nach Fragestellung können noch Konzentrationstests, Lern- und Gedächtnistests oder Tests zur auditiven Verarbeitung Anwendung finden, oder aber auch ärztliche Abklärungen im Hinblick auf das Hör- und Seh- und Bewegungsvermögen stattfinden. Ergänzende Tests im Hinblick auf evtl. vorhandenen Dysgrammatismus, Sprachverständnisprobleme oder durch Fremdsprachigkeit bedingte Legasthenie runden dies ab. Unabhängig davon wird die soziale, familiäre und psychische Situation eines Kindes näher betrachtet im Hinblick daraufhin, inwiefern diese Faktoren eine Legasthenie begünstigen.

Wie können LRS vor der Schule "früherkannt" werden?

Grundannahme: Wichtige Vorläuferfunktionen des Schriftspracherwerbs können bereits im Vorschuialter vorgefunden werden.
Insbesondere drei Bereiche scheinen für die Vorhersage der späteren Lese-/ Rechtschreib Kompetenz von Kindergartenkindern von besonderer Relevanz zu sein:
1.) Die phonologische Bewusstheit
Sie kann verstanden werden als die Fähigkeit, Einsicht in den lautlichen Aufbau der Sprache zu gewinnen bzw. die Sprache (Wörter) als aus lautlichen Einheiten bestehend wahrzunehmen und analytisch und synthetisch damit umzugehen. Jansen et a/(Autoren der BISC unterscheiden dabei:

Bestandteile der Auditiven Wahrnehmungsverarbeitung Erläuterung
Phonologische Bewusstheit

(a) Phonologische Bewusstheit im engerem Sinne:
- Lautanalyse (Anlautbestimmen): die Aufgaben für die Vorschulkinder bestehen darin, dass sie Laute eines Wortes aus einem Wort akustisch analysieren sollen (z.B.: "Hörst du das "au" im Wort "Auto"?).
- Lautsynthese (Laute verbinden): ein Wort, das dem Kind gedehnt vorgesprochen wird, soll als Einheit erkannt und nachgesprochen werden (z.B. "F-isch" soll das Kind als "Fisch" lautlich nachsprechen)

(b) Phonologische Bewusstheit im weiterem Sinne:
- Silbensegmentierung (Silbentrennung): das Vorschulkind soll drei- oder mehrgliedrige Wörter in Silben klatschen, z.B. Fuss-ball-spiel. Die Fähigkeit zur Silbensegmentierung entwickelt sich bereits um das vierte Lebensjahr.
- Reimpaare erkennen: Wörter müssen vom Kind daraufhin beurteilt werden, ob sie sich reimen (z.B. "Haus-Maus-Hut", welche zwei Wörter klingen ähnlich?)
Phonetisches Rekodieren im Kurzzeitgedächtnis Hier geht es um die Erfassung des auditiven Kurzzeitgedächtnisses. Die Aufgaben bestehen darin, dass die Kinder Pseudowörter (wie z.B. "ri-so-la-mu" - vgl. Mottier) nachsprechen sollen.
Rekodiergeschwindigkeit im Lexikon Hier geht es um die Fähigkeit, möglichst schnell auf gespeicherte Gedächtnisinhalte zurückgreifen zu können, dies kann überprüft werden, indem das Kind möglichst schnell die Farbe unfarbigdargestellter Objekte (z.B. Tomate, Zitrone) benennen bzw. die richtige Farbe von Gegenständen nennen soll, die in einer falschen Farbe abgebildet sind. Dies kann als Vorläuferfunktion für die Fähigkeit zum schnellen Abruf der Buchstaben-Lautverbindung verstanden werden.

Diese vorgestellten Bereiche wurden in den BISC (=Bielefelder Entwicklungsskalen; Autoren: Jansen, Marx, Mannhaupt, Skowronek) zu einem Testverfahren zusammengefasst. Maximal zehn Monate vor der Einschulung kann damit ein erster Eindruck darüber gewonnen werden, inwiefern bei einem Kind mit Lese-Rechtschreibproblemen zu rechen ist.